Geschichte: Die Lilie- 2. Kapitel


 Die Lilie- 2. Kapitel
Buch:
  Die Lilie
Autor:
 Camaro (Profil)
Datum:
 31.03.2014 15:13

Kerker

Endlich geschafft! Aber warum fühlt es sich jetzt so anders an, als ich immer gedacht hatte?, dachte Bastian.
Die Lilie saß vor ihm auf dem Boden. Sie war verletzt und konnte nicht mehr laufen.
Was soll ich denn jetzt machen? Vor einer Stunde hätte ich ohne zu Zögern mit „Sie kommt in den Kerker“ geantwortet, doch jetzt bin ich mir gar nicht mehr so sicher. Wieso überkommen mich gerade jetzt Zweifel?
Mit einer energischen Kopfbewegung wischte Bastian seine Zweifel beiseite und beugte sich zu dem Mädchen herunter.
Die Lilie hatte sich ergeben, also musste er jetzt keine unnötige Gewalt anwenden.
«Steh auf!»
«Nein!»
Das kann ja noch heiter werden, dachte Bastian nun genervt.
«Du hast dich ergeben, also komm jetzt.»
Als sie immer noch keine Anstalten dazu machte aufzustehen, griff er nach ihrem Arm und zog sie hoch.
«Fass mich nicht an!» zischte die Lilie wütend.
Bastian stieß genervt die Luft aus. Ergeben oder nicht, dass kann ja noch amüsant werden…

Ich hasse ihn! Erst meint er, er könnte mir etwas befehlen und dann fasst er mich auch noch an. Er soll bloß aufpassen, dass er nach dem Ganzen hier noch all seine Finger hat!
Die Hand der Lilie wanderte automatisch zu dem Dolch, der an ihrem Gürtel befestigt war, doch Bastian hielt diese fest und sagte: «Oh nein, so haben wir nicht gewettet.»
Mit einer Handbewegung entwand er ihr den Dolch.
Jetzt kann ich mich nicht einmal mehr verteidigen! Na gut, ich habe mich ja ergeben, aber trotzdem…
Die Lilie ging wackelig einen Schritt. Musste kurz darauf aber feststellen, dass sie den Weg zur Burg nicht gehen könnte.
Ihr Fuß tat einfach zu sehr weh.
Da bin ich aber mal gespannt, wie Bastian mich zur Burg, in den Kerker bekommt, dachte die Lilie hämisch.
Im Augenblick war es ihr eigentlich ziemlich egal, wo sie hingebracht werden sollte. Hauptsache es gab dort Verbandsmaterial oder besser noch einen Arzt. Auf den Arzt würde sie wohl verzichten müssen oder gab es einen im Kerker?
Anscheinend hatte Bastian das Problem mittlerweile auch verstanden, denn er stand neben ihr und schaute, um genau zu sein, etwas ratlos aus.
Tja, so hat er es sich anscheinend nicht vorgestellt, die legendäre Lilie zu fangen und um ehrlich zu sein, hatte ich mir auch anders vorgestellt, gefangen zu werden. Nicht wegen eines verstauchten Knöchels. Lächerlich!
Eigentlich… Oh nein! Schlag dir das aus dem Kopf! Du hast so wieso keine Chance!, ermahnte die Lilie sich, versuchte es aber trotzdem. Sie machte einige schnelle Schritte, die ziemlich schmerzhaft waren, von Bastian weg.
Erst einmal Abstand bekommen. Weglaufen konnte sie ja nicht mehr. Erstens war die Lilie verletzt und zweitens hatte sie sich ergeben. Wobei die Lilie auf das Zweite nicht viel Wert legte.
Ich werde mich wohl oder übel abführen lassen müssen, dachte sie niedergeschlagen.
Ich bin gespannt, wie die Diebesszene auf meine Gefangennahme reagieren wird. Wenn ich es irgendwann erfahren werde.
«Jetzt reicht es mir! Komm mit!» Bastians wütende Stimme riss die Lilie aus ihren Gedanken.

Eine halbe Stunde später standen Bastian und seine Gefangene vor der Burgmauer.
Eine Wache hatte sie anscheinend von weitem gesehen und kam schon auf die beiden zu. Was wollen die jetzt mit mir machen?, schoss es der Lilie durch den Kopf.
Da wurde sie auch schon von Bastian weiter gezogen.
Im Burghof wurden sie von mehreren Wachen empfangen, die sich mit Bastian über seinen Erfolg freuten.

Bastian brachte die Lilie in den Kerker und schubste sie in die Turmzelle.
Sie sank ohnmächtig zu Boden.


Am nächsten Morgen
Bastian hatte über Nacht kein Auge zu tun können. So kam es ihm jedenfalls vor. In Wahrheit war er nur im halben Stunden Rhythmus immer wieder aufgewacht.
Fakt war: Er fühlte sich wie von einer Kutsche überfahren.
Und die Lilie? Ja, die Lilie hatte über Nacht geschlafen wie ein Stein. Seit dem Abend war sie nicht mehr aufgewacht. Sie war kurz nachdem sie in Ohnmacht gefallen war, in einen tiefen Schlaf geglitten, der ihrem Körper nur gut tun konnte.


Als die Lilie ihre Augen aufschlug, war ihr erster Gedanke.
Bitte, bitte, bitte, bitte, lass alles ein Traum gewesen sein!
Doch wie so oft wurde sie einmal mehr enttäuscht.
Sie befand sich natürlich im Kerker.
Langsam richtete die Lilie sich auf. Ihr Blick wanderte an der Mauer entlang. Die Zelle, in der sie sich befand, war kreisförmig.
Also bin ich im Turm der Burg, stellte die Lilie fest.
Durch ein kleines „Fenster“ in ungefähr vier Meter Höhe kam etwas Licht.
Aber Moment! Ein Fenster! Die Lilie inspizierte die Beschaffenheit der Turmmauer. Backsteine übereinander geschichtet. Für ihr Vorhaben perfekt.
Aber, so wird das nichts, dachte sie. Ihr Fuß schmerzte immer noch. Schlimmer als gestern Abend. Er pochte regelrecht.
Ich habe aber auch mal wieder ein Glück, dachte sie sarkastisch, hoffentlich wird der Tag nicht so schlimm wie gestern.

Murrend stand Bastian an diesem Morgen auf.
Er hatte so miserabel geschlafen.
Alles die Schuld von dieser blöden Diebin! Was ist das überhaupt für ein Wort? Diebin! Ist Stehlen nicht ein Beruf für Männer?, schoss es ihm durch den Kopf.
Er ging zu dem Arbeitszimmer seines Vaters. Zumindest wollte er dies, doch sein Vater kam ihm auf halber Strecke entgegen.
«Guten Morgen Bastian. Wie ich gehört habe, hast du es geschafft die Lilie zu fangen und in den Kerker zu bringen», sagte er zu Bastian.
«Ja, die Lilie befindet sich im Turmverlies», antwortete er seinem Vater.

Gut, jetzt weiß ich wenigsten, wo ich die Lilie finden kann. Sie hat sich eine Belohnung verdient und diese schulde ich ihr noch. Allerdings wird die Belohnung jetzt anders aussehen, als abgesprochen, dachte der Baron.
Er befand sich auf dem Weg zum Turmverlies und überlegte, wie es es der Lilie am besten erklären konnte.
Als er vor der Tür stand, befahl er dem Wachmann ihm die Zelle aufzuschließen. Der Baron betrat diese und sah die Lilie auf dem Boden kauern.
Was hat sie denn?, fragte er sich.
Der Baron räusperte sich und sie hob den Kopf, aber nur um ihn feindselig anzublicken.
Ihr Blick ging ihm durch Mark und Bein. Es war aber nicht nur bloße Feindseligkeit auch Wut, Verzweiflung und Hilflosigkeit.
«Was wollt ihr?», fragte sie den Baron kalt.
«Ich habe nachgedacht. Du hast mir einen guten Dienst erwiesen und deine Belohnung nicht bekommen. Deshalb schlage ich vor, dass ich dir drei Goldtaler zahle und…»
«Es waren acht abgemacht», fiel die Lilie dem Baron ins Wort.
«Wenn du mich ausreden lassen würdest, müsstest du nicht wilde Anschuldigungen von dir geben. Ich wollte sagen: Ich schlage vor, dass ich dir drei Goldtaler zahle und dich frei lasse», versuchte er sie zu beschwichtigen.
«Das wird Bastian niemals zulassen», wiedersprach die Lilie.
Möchte sie unbedingt hier drin bleiben? Natürlich werde ich nicht mit meinem Sohn darüber reden, sondern sie als Stadtwache verkleidet aus dem Schloss schmuggeln, dachte der Baron.
«Ach, so ist das. Ihr wollt eurem Sohn gar nicht erzählen, dass ihr mich frei lasst.»
Sieht man mir meinen Entschluss so an oder kann das Mädchen einfach nur gut kombinieren?, fragte der Baron sich.
«Aber einen Haken hat euer Plan, nicht wahr?», fragte die Lilie misstrauisch.
«Du müsstest dich als Stadtwache verkleiden, aber ob das ein Haken ist?», fragend hob der Baron eine Augenbraue.
«Ihr habt eins vergessen», belehrte die Lilie ihn.
Was denn?, dachte der Baron und sprach seinen Gedanken laut aus.
Die Lilie antwortete: «Hat euer Sohn euch nicht erzählt, dass ich mir den Fuß verstaucht habe, bei der kleinen Verfolgungsjagd? Ich hätte also gar keine Möglichkeit zu entkommen.» Da muss ich dem Mädchen zustimmen. Mit einem verstauchten Fuß kommt sie nicht weit.
Dann verarzte ich sie halt, beschloss der Baron.
«Komm her und lass mich deinen Fuß anschauen», forderte er sie auf.
Nie wie im Leben hätte er gedacht, dass sie seinem Befehl ohne Widerworte folgen würde, aber sie tat es.
Sie muss wirklich Hilfe brauchen, dachte er.
Sie zog ihren Stiefel aus und der Baron schaute sich ihren Fuß an. Irgendwie sah dieser nicht sehr gut aus. Der Fuß war grün, blau und stark an angeschwollen.
«Hol Verbandszeug», wies der Baron die Wache an.
«Aber Herr…», zweifelte die Wache.
«Kein aber! Findest du nicht, dass das Mädchen nicht in der Verfassung dazu ist, irgendjemanden anzugreifen?»
«Doch natürlich, Sir», erwiderte der Wachmann und verschwand ganz schnell aus demSichtfeld des Barons.
Nach zehn Minuten kehrte er zurück, Verbandszeug in der Hand und mit Bastian im Schlepptau.
Was will der denn jetzt hier?, fragte der Baron sich.
«Vater, was machst du hier?», fragte Bastian ihn.
Manchmal frage ich mich, wie meine Frau und ich einem solchen Sohn das Leben schenken konnten. Er ist manchmal einfach schrecklich dumm, schwer von Begriff und versteht manchmal nicht, was vor seiner eigenen Nase passiert. Aber das würde ich ihm so nie so sagen, dachte der Baron abschätzig.

Bastian war ja schon misstrauisch geworden, als er Johann, dem Wachmann, der eigentlich vor der Zellentür der Lilie stehen sollte, im Gang entgegen gekommen war. Außerdem hatte Johann auch noch Verbandszeug in der Hand gehabt.
Also war Bastian ihm gefolgt und musste wahrhaftig feststellen, dass sein Vater gerade dabei war die Lilie zu verarzten.
«Es ist meine Schuld, dass sie sich hier befindet, also kann ich das nun auch wieder gut machen», antwortete der Aro auf Bastians Frage.
«Eine Diebin hat es nicht verdient, für ihre Taten eine Belohnung zu bekommen.» Und das erst recht nicht von einem Baron, vervollständigte Bastian den Satz in seinem Kopf.
Der Baron widersprach Bastian und dieser verließ die Zelle.
Soll er doch machen, was er will.

Jetzt sitze ich tatsächlich im Kerker der Burg Dache und lass mich von dem Baron von Dache verarzten. Ehrlich, wie tief muss man als Dieb eigentlich noch sinken?
Nachdem der Baron fertig mit ihrem Fuß war, forderte er sie auf einmal zu testen, ob das Laufen jetzt besser ging. Und es ging wirklich viel besser. Iht Fuß tat zwar noch etwas weh, aber ein kleines Stechen bedeutete keinen Weltuntergang.
Die Lilie dachte über den Vorschlag des Barons nach.
Was er wohl macht, wenn er mich gar nicht frei lassen muss, weil ich hier alleine heraus gekommen bin? Würde ich dann meine acht Goldtaler bekommen?
Gute Frage.

 Re: Die Lilie- 2. Kapitel
Autor:
 Loli
Datum:
 03.04.2014 15:53
Bewertung:
 

Coole Geschichte bitte schreib weier