Geschichte: Die Lilie- 3. Kapitel


 Die Lilie- 3. Kapitel
Buch:
  Die Lilie
Autor:
 Camaro (Profil)
Datum:
 21.04.2014 20:16

Flucht

Die Lilie hatte dem Baron klar gemacht, dass sie noch nicht in der Lage dazu war, zu flüchten. Was in Wahrheit natürlich anders aussah, aber das musste man ihm ja nicht auf dem Silberteller servieren.
Schließlich wollte das Mädchen ihre wohl verdienten acht Taler haben.
Als sie sich sicher war, dass der Wachmann eingeschlafen war, wie der Hund vor zwei Tagen, rappelte die Lilie sich auf und ging auf die Stelle an der Mauer zu, an der das Fenster war. Wie von ihr am Vortag schon festgestellt, gab es keine Gitterstäbe, sondern es führte einfach hinaus. Anscheinend dachte der Bauherr, dass niemand so lebensmüde wäre, durch das Fenster heraus klettern zu wollen. Hätte sie wahrscheinlich auch gedacht, aber ungewöhnliche Situationen erfordern ungewöhnliche Handlungen.
Also gut, beruhigte sie sich. Schließlich war die ganze Idee nicht gerade ungefährlich.
Noch einmal blickte sie zu dem Fenster, welches in gut vier Meter Höhe angebracht war. Ein großer Mann würde da nicht durchpassen. Doch das Mädchen war klein und schlank.
Ich passe garantiert hindurch wenn ich erst einmal dort bin.
Das Mädchen begutachtete die Backsteine, aus denen der Turm bestand. Die Steine waren alt. Genauso wie der Mörtel, der die Backsteine aneinander presste.
Genau richtig, dachte die Lilie triumphierend.
Mit ihrem Fingernagel kratzte sie etwas von dem Mörtel zwischen den Steinen heraus. So alt, wie der Mörtel war, ging auch das sehr einfach. Ich fragte mich langsam, warum dieser Turm nicht schon längst eingestürzt ist.
Als sie genügend Mörtel hervorgekratzt hatte, fuhr das Mädchen langsam mit ihren Fingern in den Zwischenraum zwischen den Steinen.
Es tat zwar etwas weh, aber es war auszuhalten. Die Lilie zog ihre Finger wieder hervor und kratzte nun an einer anderen Stelle den Mörtel heraus.
Nachdem die Mauer nun an zwei Stellen zugänglich für die Halterung ihrer Hände war, machte sie sich an den Aufstieg. Mit einer Hand hielt das Mädchen sich so fest, wie es konnte, in den Zwischenraum der Backsteine fest, während meine andere Hand dabei war, den Mörtel an einer anderen Stelle herauszukratzen.
So ging es weiter, bis sie endlich das Fenster erreichte. Der Aufstieg war schwierig und die Finger des Mädchens schmerzten. Doch endlich war die Lilie am Fenster angekommen und blickte nach draußen.
Der Turm lag direkt in der Mitte der Burg. Überall, wo sie sonst hinsah, sah sie nur den Burghof. Die Mauer, die den Turm mit der Burg verband, war ziemlich hoch und machte für das Mädchen einen sehr festen Eindruck. Doch da erspähten ihre Augen eine kleine Vertiefung in der Mauer. Sie war auch gar nicht weit vom Fenster entfernt.
Wahrscheinlich hatte niemals jemand gedacht, dass jemand aus dem Turm entkommen könnte.
Die haben mich noch niemals im Turm gehabt, dachte die Lilie und fing an zu lächeln.
Sie schätzte die Entfernung zu der Mauer ab. Dann warf sie noch einen kurzen Blick auf ihren Fuß, der zwar noch schmerzte, aber nicht mehr hämmerte. Es war erträglich. Genauso, wie die Schmerzen in ihren Fingern.
Nur einen Sprung, dachte die Lilie. Nur ein Sprung.
Sie nahm all ihre Kraft zusammen, ignorierte den Schmerz in ihrem Fuß und ihren Fingern und … sprang.
Die Lilie spürte, wie sie durch die Luft flog. In einer anderen Situation wäre dieses Gefühl der Schwerelosigkeit schön und genießbar gewesen, aber darauf durfte sie sich jetzt nicht konzentrieren.
Mit einem dumpfen Aufprall landete das Mädchen auf der Mauer. Sofort ließ sie sich nach vorne fallen und rollte sich ab. Zum ihrem Glück war die Mauer breit genug. Es wäre wohl nicht sehr angenehm gewesen, wenn sie auf der anderen Seite wieder herunter gefallen wäre.
Das Mädchen richtete sich auf und spürte kurz darauf einen dumpfen Schmerz in seinem Knöchel. Aua! Warum muss immer mir so etwa passieren?, fragte die Lilie sich. Aber eigentlich habe ich Glück, dass mich noch niemand gesehen hat, dachte sie.
Die Lilie richtete auf und schaute an der Wand herunter. Es ging schätzungsweise drei Meter steil herunter. Ein bisschen mulmig war dem Mädchen ja schon, aber es nahm zum dritten Mal an diesem Tag all seinen Mut zusammen und ließ sich in das Wasser fallen.
Die Lilie tauchte auf und dachte spöttisch: Wenn ich in nächster Zeit öfter solch ungewollte Bäder nehmen muss, erkälte ich mich noch!
Sie schwamm zum Ufer und kletterte an Land. Jetzt bin ich zwar nass, aber genieße die Freiheit. Also hat diese ganze Situation auch ihre Vorteile. Schließlich kenne ich jetzt einen sehr geeigneten Fluchtweg aus der Burg hinaus, dachte die Lilie.
Sie zog ihren Mantel aus und versuchte ihn halbwegs trocken zu bekommen. Darauf zog sie ihn wieder über und verschwand in der Dunkelheit.

Bastian stürmte am Morgen durch die Gänge. Ihm war das Gerücht zu Ohren gekommen, dass die Lilie entflohen war. Er eilte die Treppe herunter und kam vor der Turmzelle zum stehen. Sie war leer.
Das darf nicht wahr sein. Dies war der einzige Gedanke, den er in diesem Moment hatte.
Er machte auf dem Absatz kehrt und rannte zwei Süden auf einmal nehmend die Treppe herauf.
Bastian war auf dem Weg zum Arbeitszimmer seines Vaters.
Als er dort ankam riss er ohne anzuklopfen die Tür auf. Wie vermut war der Baron dort und saß an seinem Schreibtisch.
«Vater, hast du der Lilie geholfen, als sie geflohen ist?», fragte Bastian. «Ich wünsche dir auch einen schönen guten Morgen, mein lieber Sohn», erwiderte der Baron. «Und nein, ich wusste bis gerade noch nicht einmal, dass die Lilie entkommen ist. Ich hatte ihr zwar angeboten zu helfen, aber sie hat abgelehnt.»
«Wieso wolltest du ihr helfen? Ich dachte, es würde dich freuen ind stolz machen, das ich die Lilie erwischt habe!», fragte Bastian seinen Vater gekränkt.
Wie sag ich es ihm jetzt am besten?, fragte sich der Baron.
«Bastian, hör mir zu. Ich besuchte letzte Woche eine Wahrsagerin und diese prophezeite mir, dass ich nicht mehr lange leben würde. Bastian, ich bin nicht mehr der jüngste und die letzten Tage plagen mich Kopf- und Gelenkschmerzen. Wenn ich von euch gehe, möchte ich dies erst, wenn es in der Baronie besser aussieht. Durch die Gefangennahme der Lilie hast du die ganze Vereinigung der Diebe gegen dich gehetzt. Außerdem ist die Lilie ein Mädchen, dass du nicht zum Feind haben möchtest», erklärte der Baron.
Bastian schaute seinen Vater ungläubig an. Was ist das für eine Vereinigung der Diebe?, fragte Bastian sich. Genau dies fragte er auch seinen Vater.
«Das kann ich dir auch nicht genau sagen. All das, was wir darüber wissen stammt von Dieben, die wir gefangen und anschließen gefoltert haben. Die Vereinigung der Diebe ist so etwas wie ein Bund, der in allen Harmonien des Königreiches gilt. Egal ob auf dem Land oder in der Stadt. Es gibt ein Oberhaupt der Diebe und dieser hat einige Berater. Soweit ich weiß ist die Lilie eine von diesen Beratern. Sie ist eine geschätzte Diebin und wohl mit dem Oberhaupt verwandt.
Die Diebe in anderen Städten sind dazu verpflichtet einem anderem Dieb zu helfen, sollte dieser in Schwierigkeiten stecken.
Es ist so zusagen eine Verschwörung um sich gegen den obersten Richter zu verteidigen. Halten alle zusammen, bekommt der Reicht keinen einzigen in seine Hände.»
Bastian nickte.
Interessant.

 Re: Die Lilie- 3. Kapitel
Autor:
 Loli
Datum:
 23.04.2014 13:40
Bewertung:
 

Coole Geschichte.Bitte schreib weiter.

 Re: Die Lilie- 3. Kapitel
Autor:
 Rolf (Profil)
Datum:
 25.04.2014 13:37
Bewertung:
 

Wie immer mit Genuss dabei!