Geschichte: Zeit heilt nichts


 Zeit heilt nichts
Buch:
  -
Autor:
 luisajosupeit (Profil)
Datum:
 16.02.2016 15:29

Wie es sich anfühlt? Wie es sich anfühlt jemanden zu verlieren? Wie es sich anfühlt jemanden zu verlieren den man liebt? Mit dem man sich sicher gefühlt hat? Mit dem man lebendig sein konnte? Mit dem man die schönen Dinge genießen konnte? Mit dem man sich frei gefühlt hat?

Es fühlt sich an, als würde dir jemand die Seele rauben. Als würde jemand mit seiner bloßen Hand durch deine Brust greifen und dir dein Herz herausreißen.

Jedoch ist dies noch nicht das schlimmste. Man versinkt in Selbstmitleid und ist gefangen in einem Teufelskreis, aus dem man nicht wieder herauskommt. Man fühlt sich komplett alleine, aber man kann mit niemandem drüber reden, weil es zu sehr schmerzt daran erinnert zu werden, man will es nicht aussprechen. Niemand von deinen Freunden weiß etwas davon und wenn dann nur ganz oberflächlich und dieser Gedanke lässt einen vereinsamen. Es macht einen traurig, zu wissen, dass man ganz alleine ist. Das man niemanden hat mit dem man reden kann, dem man sich anvertrauen kann.

Zeit. Alle sagen Zeit heilt die Wunde. Ich nicht. Nichts kann eine Wunde heilen, die so tief ist. Es bildet sich eine Kruste durch die Zeit, ja. Aber verheilen tut sie nie ganz. Jedes Mal, und sei es wegen noch so banalen Dingen, wenn irgendetwas dich an denjenigen erinnert, reißt die Wunde wieder auf. Und fängt an zu bluten. Und es braucht wieder so viel Zeit bis sich eine Kruste gebildet hat. Die dann eh irgendwann wieder aufreißt. Durch irgendwas. Und das zu wissen, dass diese Wunde niemals vollständig verheilen wird, macht einen krank. Das Wissen macht einen krank. Und traurig.

Und irgendwann, kommen die Schuldgefühle. Schuldgefühle dafür, dass du dich in jemand neuen verliebt hast, obwohl erst so wenig Zeit vergangen ist. Schuldgefühle dafür, dass du deinen Freunden es nicht anvertraut hast. Schuldgefühle dafür, dass du so unendlich viele Lügen erfunden hast, um dem ganzen aus dem Weg zu gehen. Schuldgefühle dafür, dass man sich selbst belogen hat.

Und man weiß, dass derjenige den man verloren hat, dass er sich für einen freuen würde, weil man jemand neues gefunden hat. Aber man selbst kann sich das nicht verzeihen.

Während ER im Koma lag, habe ich ihn kennengelernt. Wirklich nur kennengelernt. Auch nicht richtig, nur flüchtig. Wir haben uns im Urlaub getroffen. Ich hatte keine Augen für ihn, hab nicht erkannt wie wunderschön er ist. Hab nicht erkannt, was für ein wundervoller Mensch er ist, wie liebevoll er ist und wie selbstlos. Ich war in Gedanken bei IHM.

Dann, nicht mal einen Monat nach SEINEM Tod, habe ich ihn richtig kennengelernt. Ich sah was für ein unglaublicher Mensch sich hinter dieser etwas schüchternen und doch extrem starken männlichen Fassade verbarg. Schon beim ersten Treffen, küssten wir uns zum Abschied. Mich plagten Schuldgefühle wie nie zuvor. Ich erzählte ihm von mir. Von allem. Von meiner Krankheit, meiner kaputten Familie und von IHM. Und er erzählte mir von sich. Von seinen Eltern und von seinen Anklagen. Das zweite Treffen verlief ähnlich. Küssen, reden, küssen, reden, reden, reden. Ich habe noch niemals zuvor jemanden meine Seele so offenbart wie ihm. Ich fühle mich bei ihm sicher. Schwerelos.

Es tut weh ihn zu lieben. Er hat so viel Ähnlichkeit mit IHM. Und jedes Mal reißt die Wunde auf. Wieder und wieder. Ich liebe ihn trotzdem. Ich bin seit langem wieder mehr glücklich als traurig.

 Re: Zeit heilt nichts
Autor:
 lehar (Profil)
Datum:
 22.02.2016 19:34
Bewertung:
 

Toll geschriebene Geschichte. Ich verstehe dich/die Person nicht nur, ich weiss, wie es ist und wie es sich anfühlt. Ich habe zwar nicht meinen Partner verloren, jedoch jemand der mir sehr nahe stand. Du weisst lange nicht, wie weiter. Anfangs funktionierst du nur und erst später lässt du wieder Gefühle zu.

Falls es noch weiter geht, würde mich den Rest der Geschichte sehr interessieren.

Auf jeden Fall trotz des traurigen Themas ist es eine schöne Geschichte. Und lass dir eins gesagt sein, Wunden heilen doch. Du hast recht, wenn du sagst, es wächst ein Kruste darüber, aber je länger es geht, desto stärker und härter wird die Kruste. Und wenn sie dann für eine Zeit lang, mal nicht wieder aufgerissen wird, dann beginnt sie darunter zu heilen.

Glaube daran und habe keine Angst los zulassen. Er wird immer bei dir sein. Solche Menschen haben einen besondern Platz im Herzen, der kann durch nichts ersetzt werden.

 Re: Zeit heilt nichts
Autor:
 lehar (Profil)
Datum:
 26.02.2016 14:58
Bewertung:
 

Sorry, habe beim ersten Mal die Bewertung vergessen. War wahrscheinlich noch zu tief im Thema versunken.