Geschichte: Wär' ich eine Schnecke


 Wär' ich eine Schnecke
Buch:
  -
Autor:
 somichso (Profil)
Datum:
 08.04.2016 17:27

Manchmal frage ich mich, ob ich verrückt bin. Wahnsinnig. Verrückt. Wahnsinnig. Verrückt.

Manchmal frage ich mich, wie es wäre, eine Schnecke zu sein. Langsam würde ich den Berg hinauf kriechen. Die Vögel kreischen, zirpen, singen ihre Töne, ergänzen ihre Melodien. Sie scheinen fern ab von allem zu sein. Wär‘ ich ein Vogel, erfände ich die schönsten Lieder von allen. Meine Lieder wären Meisterwerke.

Ich krieche ein Stück.

Der Berghang ist karg. Die vielen kleinen Steine liegen im Weg. Sie sind rund, quadratisch, oval, und sie stinken nach Kalk. Es ist mühsam und schwer, sie zu bewegen. Viel zu schwer. Wäre ich ein Vogel, würde ich sie aufpicken und durch die Luft werfen. Meine Freunde würden sie fangen und wir spielten den ganzen Tag lang mit den runden, quadratischen, ovalen Steinchen.

Ich krieche ein Stück.

Sie kitzeln. Sie kitzeln so sehr. Sie kitzeln so, so sehr wenn sie auf mir rum krabbeln. Ich fühle sie auf meinem Körper, sie erklimmen mein Haus, sie inspizieren mich, doch ich lasse sie sein. Ich bin zu langsam, um sie zu inspizieren. Wäre ich ein Vogel, könnte ich sie aufessen. Diese mickrigen Ameisen könnten nicht auf mir rum wandern. Ich schwebe, und sie sind auf der Erde. Wär‘ ich ein Vogel, hätte ich keine Probleme mit ihnen.

Ich krieche ein Stück.

Die Ameisen sind immer noch auf mir, in mir, unter mir, ob mir. Ich fühle einen Tropfen. Plitsch. Platsch. Plitsch. Platsch. Immer schneller und schneller, immer mehr und mehr. Für dich ist es eine Pfütze, für mich ein Meer. Wäre ich ein Vogel, würd‘ ich mir Schutz suchen. Elegant würde ich durch das Nieseln fliegen und die Schönheit der gereinigten Natur beobachten können. Jedes Detail, ich schwebe über sie hinweg in hoher Lüfte. Wär‘ ich ein Vogel, das Meer wär‘ eine Träne.

Ich sehe den Spitz.

Ich sehe das Ende. Ein Kribbeln umhüllt meinen Körper, die Ameisen sind weg, ich fühle mich lustig, der Hang ist nun nicht mehr so rutschig.

Ich sehe das Ende. Mehr und mehr, ich bin fast da, schneller und schneller, er scheint ganz nah.

Ich sehe das Ende. Doch was ist das, ein Poltern, ist’s der Blitz, ist’s der Donner? Ich höre ein Poltern, wieder und wieder, es wird immer lauter, ach, das Poltern, nun scheint es vertrauter.

Ich sehe das Ende, ich dreh‘ mich um. Ein Ungetüm, und weg ist mein Haus und weg ist meine Seel‘.

Ich sah das Ende. Wär‘ ich ein Vogel, hätte ich den Mensch kommen sehen. Er hätte mich nicht erdrückt, ich wär‘ noch da, ich wär‘ noch hier, ich wär‘ noch dort. Wär‘ ich ein Vogel, wär‘ alles besser.

Manchmal frage ich mich, ob ich verrückt bin. Wahnsinnig. Verrückt. Doch ich sage, ich sei nur ich. Nur Ich.
Ich bin ich.

 Re: Wär' ich eine Schnecke
Autor:
 nightdragon (Profil)
Datum:
 18.04.2016 15:16
Bewertung:
 

Arme Schnecke...sie hat es fast geschafft T-T

 Re: Wär' ich eine Schnecke
Autor:
 Nasobem (Profil)
Datum:
 18.04.2016 18:12
Bewertung:
 

Hübsch!
Manchmal reimt es sich, manchmal nicht. Ist es nun ein Gedicht oder nicht?

 Re: Wär' ich eine Schnecke
Autor:
 Nasobem (Profil)
Datum:
 19.04.2016 15:00
Bewertung:
 

:D

 Re: Wär' ich eine Schnecke
Autor:
 AMIBANANI (Profil)
Datum:
 28.07.2017 22:54
Bewertung:
 

Oh mein Gott die arme Schnecke sie war so toll. Sie tut mir richtig Lleid