Geschichte: Die Osterhaseninvasion


 Die Osterhaseninvasion
Buch:
  Die Osterhaseninvasion
Autor:
 Equestrice (Profil)
Datum:
 15.04.2017 08:52

"Morgen kommt der Osterhase, kommt mit seinen Gaben. Bunte Eier..."

Wütend knallte ich die Tür auf. "Es ist noch nicht einmal Ostersonntag!" Genervt wollte ich schon die Augen verdrehen, als die lächerliche Antwort meiner kleinen Schwester Karin kam: "In zwei Tagen schon und der Osterhase sollte als allererstes zu mir kommen!" Das Einzige was mich an Ostern erfreute, waren die Schokoladenhasen. Und genau so einer stand auf Karins Schreibtisch.

"Ach ja?", tat ich überrascht und bewegte mich Richtung Tisch. "Und wieso singst du: 'Morgen kommt der Osterhase' wenn erst übermorgen Sonntag ist?" Unauffällig schob ich die Schokolade in meine Hosentasche. "Hab ich dir schon gesagt", brummte sie und sang unbekümmert aus vollem Halse weiter.
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(Ostersonntag, morgens um 8.23 Uhr)

Stöhn. Sogar die Wände waren kein Schutz gegen Karins Gesang. Müde stopfte ich zwei Ohrenstöpsel in meine tauben Ohren und atmete erleichtert auf, als Stille einkehrte. Schon döste ich wieder ein, als sich aus dem Nichts ein strahlendes Gesicht über mich beugte. "Aaaah! Was zum...?!", kreischte ich und wollte weitere Flüche ausstoßen, doch ein Stoffhase beendete meinen Satz. "LAG VOR DER HAUSTÜR UND IST AN DICH ADRESSIERT!", brüllte dieses kleine unverschämte Biest und verschwand aus meinen Zimmer.

<< Für Joey. Vom Osterhasen. Bewahre es gut auf. >> Achtlos schmiss ich den Hasen in den Schrank.

Den Rest des Tages verbrachte ich damit, mich mit Karin auf Eiersuche zu begeben. Dabei kamen wir an dem kleinen Bach vorbei und beschlossen, Rast zu machen, während Karin ihre Beute durchwühlte. Die Sonne prallte unbarmherzig auf die Erde herab und ich war froh, im Schatten eines Baumes zu sitzen.

Plötzlich vibrierte mein Handy. "Hallo? Wer...? Mom? Was ist denn...? Du hast WAS? Bewege dich nicht vom Fleck! Ich bin gleich bei dir." Abrupt erhob ich mich und zog Karin mit. "Mom hatte einen Unfall. Wir müssen sofort zu ihr", war meine knappe Zusammenfassung als wir querfeldein zur nächsten Bushaltestelle rannten.

Schon von Weitem sah man die Unfallstelle, die mit Absperrband markiert wurde. Schaulustige und sogar eine Reporterin beobachteten das Geschehen. "Mom!", rief Karin und rannte auf eine Frau mitte dreißig zu, die ausdruckslos in die Luft starrte und die Fragen des verzweifelten Polizisten ignorierte.

Erst als sie Karin erkannte verschwand der glasige Blick und sie breitete die Arme aus. "Ist alles in Ordnung mit dir?", fragte ich besorgt und umarmte sie fest. "Ja, macht euch keine Sorgen." - "Wie ist es denn dazu gekommen?" - "Genau das versuche ich auch herauszufinden, ohne Erfolg, denn diese Opfer sind stumm wie Fische!", schimpfte der Polizist, murmelte etwas wie 'Noch nie erlebt' und 'Nicht zu fassen' und wandte sich zum Gehen

"Entschuldigen Sie!", rief ich ihm nach. "Angenommen, dass Sie sowieso keine weiteren Informationen erfahren, wären Sie dann so nett, und entlassen unsere Mutter?" Nachdem er unsere Angaben gespeichert hatte startete Mom das Auto, welches glücklicherweise keinen Schaden aufwies.

Mit verkrampfter Haltung hielt sie das Lenkrad, sodass die Knöchel weiß hervorstachen. Im Schneckentempo krochen wir der Straße entlang und lagen mit Sicherheit weit unter der vorgegebenen Geschwindigkeit. Karin warf mir einen besorgten Blick zu, was untypisch war, denn sonst fielen ihr solche Sachen nie auf.

Endlich bogen wir in unsere Straße und Erleichterung breitete sich in mir aus. Mom ging schnurstracks ins Schlafzimmer nachdem sie Aspirin genommen hatte und bat mich mit erschöpfter Stimme, das Abendessen vorzubereiten.

Mittlerweile hatte Karin den Fernseher angeschaltet. Ich nahm gerade die Spaghetti vom Herd, als eine Meldung zum heutigen Unfall in der Innenstadt gebracht wurde. "Heute kam es zu einem Unfall im inneren Bezirk der Stadt, wobei es glücklicherweise keine Verletzten gab. Wie es dazu gekommen war, erklärt Martin Jensen von der Polizei."

Es wurde zu einem Interview gewechselt, in dem der Polizist, welcher Mom befragt hat, verriet, dass die wenigen Opfer, die aussagten, etwas über 'einen weissen Blitz, der sie geblendet und von der Straße abgelenkt habe' erzählt haben. Klar sei die ganze Sache noch nicht, die Untersuchungen hätten noch nichts ausschlaggebendes zu Tage gebracht.

Die Moderatorin sprach das nächste Thema an und ich widmete mich nun nachdenklich der Fleischbällchen Soße zu.

"Findest du das nicht seltsam? Ein weisser Blitz, bei helllichtem Tag?", bemerkte Karin und hob eine Augenbraue. Nickend bestätigte ich. "Zum Glück ist ja alles gut ausgegangen."

Wie Unrecht ich doch haben sollte.

Am nächsten Tag wurden eine Massenkollision und zwei weitere Unfälle gemolden. Die Anzahl der Verletzten war hoch, manche befanden sich sogar in Lebensgefahr.

Und so ging es weiter, bis eine ungewöhnlich hohe Zahl an Unfällen erreicht war, und dies nur innerhalb einer Woche! Dazu kam noch, dass es nicht möglich war, die Ursache herauszufinden, da die Opfer weiterhin stumme Fische spielten. Aus Schock? Oder weil die Begründung so abgedreht war, dass man sie so schnell wie möglich wieder vergessen wollte?

Die ganze Situation war ein ganzes Durcheinander.

Eines Nachts schreckte ich aus dem Schlaf und meinte, ein Geräusch gehört zu haben. Da! Ein Scharren! Ich schob die Vorhänge beiseite und blickte aus dem offenen Fenster. Ich sah einen Lichtschimmer, der von unserer Scheune ausging. Leise öffnete ich meine Zimmertüre und schlich die Stufen hinunter ins Wohnzimmer. Mondlicht durchflutete den Raum und warf geheimnisvolle Schatten, sodass mir eine Gänsehaut über den Rücken kroch. Rasch schnappte ich meine Kapuzenjacke und lief barfuß über die Wiese.

Die Grashalme fühlten sich kühl an und dämpften meine Schritte. Ich verlangsamte meine Schritte und zögerte. Doch die Neugier war größer als die Furcht.

Ich drückte die kühle Klinke hinunter, die Tür schwang mit einem Quietschen auf. In der Mitte des Raumes hing eine nackte Glühbirne an der Decke, die mit ihrem schwachen Licht die gefährlich aussehende Werkzeuge an der Wand erkennbar machte. Die Werkbank war verstaubt, ein Zeichen dafür, dass seit Ewigkeiten niemand hier gewesen war.

Dann traf es mich wie ein Blitz. Wer hatte das Licht eingeschaltet? Die Person musste sich immer noch in der Scheune befinden! Angsterfüllt griff ich zu einer Axt und erwartete, dass jeden Moment ein Mörder aus dem Schatten stürzen würde. Ein Schweißtropfen&#8203; rann über meine Stirn als ich mich umsah.

Etwas erregte meine Aufmerksamkeit. Etwas, das in einer Werkzeugscheune absolut nichts zu suchen hatte.

Ein Osterhase aus Stoff lag vor meinen Füssen. Und zwar nicht irgendeiner, sondern MEINER, der eigentlich in einer Ecke des Kleiderschrankes liegen sollte! Vielleicht hatte Karin mit dem Hasen aus unerklärlichen Gründen in der Scheune gespielt?

Ich hob ihn auf und schnappte nach Luft. Trotz den tiefen Temperaturen draussen strahlte der Körper des Plüschtieres Wärme aus. Plötzlich funkelten die pechschwarzen Knopfaugen, der Hase entglitt mir aus der Hand und landete auf den Füssen.

Moment mal, AUF DEN FÜSSEN?!!

Vor Schock fielen mir fast die Augen aus dem Kopf, als ich unaufhörlich blinzelte um diese Szene aus meinem Gedächtnis zu löschen. "Was zum-" Doch ein stechender Schmerz am Hinterkopf beendete meinen Satz. Ich ging mit einem erstickten Aufschrei zu Boden, das Bild des lebenden Hasen vor meinen Augen, bevor alles schwarz wurde.



1 mal bearbeitet. Zuletzt am 20.04.17 14:47.

 Re: Die Osterhaseninvasion
Autor:
 BlueAngel (Profil)
Datum:
 15.04.2017 13:39
Bewertung:
 

ach du meine Güte..

eine sehr fesselnde Geschichte.
Man kann anscheinend aus jeder Situation das genaue Gegenteil machen
Ich hätte es bestimmt nicht geschaft aus Ostern etwas böses herauszuholen.
Sehr Krativ und spannend.
Schreibst du die Geschichte weiter? oder ist sie zu ende?
Mich würde nämlich interessieren was der Hase noch alles anstellt...Und ob die Hauptperson der Geschichte den Angriff überlebt hat...

LG BlueAngel

 Re: Die Osterhaseninvasion
Autor:
 Equestrice (Profil)
Datum:
 16.04.2017 17:14
Bewertung:
 

Danke für deine Bewertung und ja, es gibt eine Fortsetzung... :)

 Re: Die Osterhaseninvasion
Autor:
 nightdragon (Profil)
Datum:
 18.04.2017 05:46
Bewertung:
 

Sehr schön, eine weitere Horrorgeschichte!
Mir gefällt besonders, wie du beschreibst, wie die merkwürdigen Unfälle sich häufen. So dieses:" aber in den nächsten Tagen passierte dies und das. Am anfang fiel es nicht weiter auf, aber...."undsoweiter. In dem Comic "Gefährliche Jahreszeiten" in dem Winterkapitel wird das auch angewendet und es passt echt gut!
Ich möchte dir bloß sagen, dass "rannte" die Vergangenheitsform von "rennen" ist, die von "rinnen" lautet einfach nur "rann".
Ich freue mich auf die Fortsetzung!

 Re: Die Osterhaseninvasion
Autor:
 Nasobem (Profil)
Datum:
 18.04.2017 07:09
Bewertung:
 

Es ist eigentlich schon alles gesagt. Die Geschichte gefällt mir gut, weil sie so ungewöhnlich ist. :D

 Re: Die Osterhaseninvasion
Autor:
 terminator (Profil)
Datum:
 24.04.2017 17:49
Bewertung:
 

Ich finde es echt super wie du immer die Dinge die passieren so genau beschreibst und sie auchnoch spannend formulierst :bravo: . Als ich erst mal angefangen habe zu lesen, konnte ich garnicht mehr aufhören! Wirklich toll. Ich freue mich schon auf die Fortsetzung.