Geschichte: Der Turm der verlorenen Träume V

Silvana folgte einer schmalen, gepflasterten Straße, die durch die Felder nach Süden führte. Sanfte Hügel erstreckten sich bis zum Horizont. Felder und Wiesen wechselten sich ab mit kleinen Baumgruppen und langen Reihen von Bäumen. Kleine Wolkenfetzen trieben über den blauen Himmel.
Zuerst war Silvana schnell gegangen, zuweilen sogar gerannt, weil sie hoffte, Giovanni bald einzuholen. Nun aber waren ihre Beine müde, sie schwitzte und ihr Rücken schmerzte vom Gewicht des Rucksackes, das sie am Anfang nicht einmal gespürt hatte. Sie war noch nie so lange gelaufen. Durst brannte in ihrer Kehle. Also setzte sie sich an den Wegesrand und aß und trank ein wenig.
Die Sonne sank bereits, als sich ein leiser Zweifel in Silvana regte. Was, wenn das mit den Anfangsbuchstaben reiner Zufall war und sie womöglich in die falsche Richtung ging? Andererseits wäre das schon ein recht seltsamer Zufall gewesen. Nein, in einem Rätsel war alles gut durchdacht. Wahrscheinlich war Giovanni ihr nicht mehr weit voraus.
Langsam wurde es dunkel. Anscheinend würde Silvana ihre erste Nacht unter freiem Himmel allein verbringen müssen.
Die ersten Sterne wurden sichtbar. Hier und da lagen kleine Häuser, deren Fenster goldenes Licht ausstrahlten.
Silvana wurde unruhig, denn sie glaubte, weiter hinten dunkle Gestalten am Wegesrand zu sehen.
Also beschloss sie, nicht mehr weiterzugehen und hier ihr Nachtlager aufzuschlagen. Sie breitete ihre Decke aus und rollte sich darunter zusammen. Doch obwohl ihr Körper erschöpft und verschwitzt war, konnte sie ihre vor Müdigkeit brennenden Augen nicht schließen. Zu sehr fürchtete sie, ein Ungeheuer würde aus dem Schatten über sie herfallen. Zuhause in ihrem Zimmer hatte sie sich nie vor der Dunkelheit gefürchtet. Auch auf den Straßen des Dorfes konnte sie sich in völliger Finsternis zurechtfinden. Doch hier war sie noch nie gewesen.
Warum hatte Giovanni nicht auf sie gewartet? Vielleicht wollte er sie auf die Probe stellen, ihre Entschlossenheit testen.
Irgendwann musste Silvana doch eingeschlafen sein, denn sie merkte nicht, wie sich drei Schatten näherten.

Plötzlich wurde Silvana aus dem Schlaf gerissen, als ihr jemand die Decke wegzog. Erschrocken setzte sie sich auf. Sie sah einen Mann mit verschlissener Kleidung und langen, dunklen Haaren, der ihren Rucksack in den Händen hielt. Ein weiterer, groß gewachsen und bärtig, warf gerade ihre Decke ins Feld und ein dritter mit strohblondem, zerzaustem Haar stand neben ihr und grinste sie an.
„Was macht ein kleines Mädchen zu so später Stunde hier draußen?“, fragte er. „Bist du etwa von zuhause weggelaufen?“
„Was wollt ihr?“, fragte sie.
„Sehen, was du für uns mitgebracht hast."
Einer der Männer begann, in ihrem Rucksack zu wühlen.
„Was soll das?“, protestierte Silvana und sprang auf. „Das brauche ich!“
„Das brauchst du nicht“, erwiderte der Blonde. „Du kommst mit uns. Wir haben alles, was ein Mädchen sich wünschen kann.“
„Das kannst du vergessen!“, fuhr Silvana ihn an.
„Das war keine Frage.“
Der Mann packte sie am Arm. Silvana schrie auf und stieß ihren Ellenbogen in seinen Bauch. Er stöhnte auf und krümmte sich. Der Ausdruck des Erstaunens darüber, dass das Mädchen sich wehrte, verwandelte sich schnell in Wut. Er holte aus und schlug ihr ins Gesicht. Silvana stolperte zurück, direkt in die Arme der anderen beiden.

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Sieht aus, als wäre Silvana in Schwierigkeiten...



1 mal bearbeitet. Zuletzt am 16.05.17 04:37.

Es geht gut voran! Jetzt habe ich schon ein Kapitel mehr als ich bei "die Geächteten" hatte. Trotzdem... ich habe noch nie eine Geschichte fertig geschrieben (außer einmal in der zweiten oder dritten Klasse, aber das zählt nicht), und ich habe Angst, es diesmal wieder nicht zu schaffen.

Du hast meine volle Unterstützung! ;) Bin gespannt auf die Fortsetzung!

Ich mag die Typen. Übrigens hast du bei "Sehen, was du uns mitgebracht hast." vergessen, die Gänsefüßchen zu schließen.
Keine Sorge, ich bin sicher, du schaffst es.

Danke für den Hinweis! Hab es schon verbessert.

Mal sehen, wie Silvana die wieder rauskommt...
Ich weiß nicht, ob das besser klingt und es ist kleinkariert, aber ich würde anstatt "ihr Rücken schmerzte vom Gewicht des Rucksackes" "unter dem Gewicht" schreiben, keine Ahnung ob das grammatikalisch korrekt ist... ?:-|