Geschichte: jellicle ball - oder auch nicht


 jellicle ball - oder auch nicht
Buch:
  -
Autor:
 nightdragon (Profil)
Datum:
 11.09.2017 19:01

Die langsame Steichermusik füllte den Raum. Sie übertönte das Rascheln seidener Gewänder und das Klirren fein geschliffener Gläser.
Unzählige Gäste tummelten sich auf der Tanzfläche, drehten und wiegten sich elegant zu höfischen Tänzen oder unterhielten sich bei einem delikaten Wein. Wie eine märchenhafte Versammlung fabelhafter Wesen musste einem Außenstehenden die maskierte Gesellschaft erscheinen. So fremdartig war doch ihre Kleidung, so exotisch das Aussehen eines jeden Tänzers. Schwarze Rabenschnäbel, glitzernde venezianische Masken und eine Vielzahl von Tieren zeigten an diesem Abend ihre bemalten Gesichter. Kein menschliches Antlitz befand sich unter dem glitzernden Kristalllüster, der das warme Licht der Kerzen spielerisch einfing. Die hohen Fenster zeigten ein verzerrtes Spiegelbild der Gemeinschaft, ebenso wie der marmorne Boden. Auf der anderen Seite trennten große Säulenbögen einen Gang vom Rest des Saals.
Nachdenklich schwenkte ich das Weinglas in meiner Hand.
Etwas beschäftigte mich schon die ganze Zeit, ich wusste nur nicht, was. Ich gab das Glas einem der vorbei eilenden Kellner und wanderte gemächlich in die Dunkelheit unter den Säulen. Meine schwarzen Stiefel klangen dumpf auf dem Marmor als ich langsam unter einem der Bögen hindurchschritt. Schwer spürte ich das Gewicht meines großen Hutes, dessen breite Krempe ein weißer Federbusch schmückte. Die schwarze Farbe meiner Weste, der Hose und der Stiefel ließ mich mühelos in den Schatten verschwinden. Nur die Hemdärmel waren von demselben verräterischen Weiß wie die Feder. Mein Degen stieß mit jedem Schritt gegen mein rechtes Bein. Das leise klickende Geräusch begleitete mich auf dem Weg zum Kopfende des Saals, wo das Orchester spielte.
Keiner der kostümierten Musikanten bemerkte, wie ich an ihnen vorbeieilte.
Der Gang führte noch weiter und ich war gerade um die erste Kurve gelaufen, als ich endlich fand, was ich schon den ganzen Abend gesucht hatte, ohne es zu wissen.
Die Gestalt, anscheinend eben durch die doppelflüglige Tür geschlüpft war, trug ebenfalls ein Kostüm. Lange, schwarze Handschuhe bedeckten die Hände. Die Jacke und die Hose des Eindringlings lagen so eng an wie eine zweite Haut und verwandelten ihn in einen schlanken Schatten. Von seinen schmalen Schultern hing ein schwarzes Cape hinab zu seiner Hüfte, an der ein Degen und ein Messer hingen. Die hölzerne Maske zeigte das lächelnde Gesicht einer weißen Katze.
Wenig überrascht wandte er sich nach mir um und verschränkte die Arme vor der Brust.
"Du kommst spät", sagte eine bekannte Stimme.
Ich stöhnte innerlich. Sie hatte sich nicht verändert.
"Was tust du hier?" Mein Ärger war unverkennbar herauszuhören.
Ich konnte nur ihr Kinn unter der Maske sehen, doch ich spürte, dass sie lächelte.
"Ich? Ich tue gar nichts. Ich bin nur hier um mir die Show anzusehen", sagte sie munter.
Das ließ nichts Gutes ahnen. Ich kaute nervös auf meiner Lippe herum. "Welche Show?"
Als ob sie mir das sagen würde. Auf jeden Fall war es etwas, das mir nicht gefallen würde. Unruhig sah ich zu, wie sie sich streckte und ihre braunen Locken wie eine Mähne schüttelte. "Das musst du schon selbst herausfinden. Wird dir aber nicht helfen, weil -"
"Weil was?"
"Na, weißt schon." Sie drehte sich um und fing an zu summen. Ich kannte die Melodie. Sie hatte sie schon hunderte Male gesungen und mich damit beinahe in den Wahnsinn getrieben. Doch etwas war anders als sonst.
In diesem von flackernden Kerzen beleuchteten Flur in dieser vom nahezu vollem Mond erhellten Nacht schien sie auf einmal eine neue Bedeutung zu haben. Eine geheime Botschaft, die erst das bleiche Licht der Sterne zum Vorschein gebracht hatte. Es war nicht einfach Gesumme und sie war auch nicht gelangweilt. Sie versuchte, mir etwas zu sagen, doch so verzweifelt ich mich auch abmühte, ich kam nicht darauf. Ich spürte, dass die Antwort direkt vor meiner Nase lag und doch gelang es mir nicht, sie zu packen. Die Katze summte lauter. Leise begann sie, zu singen.

"Jellicle cats, come out tonight.
Jellicle cats, come one, come all.
The jellicle moon is shining bright"

"...Jellicles come to the Jellicle ball," hauchte ich, als es mir langsam dämmerte. Ich dachte zurück an die Menge im Ballsaal und mir wurde plötzlich bewusst, dass unter ihnen einige waren, deren Masken alle das gleiche Tier zeigten. Die Erkenntnis traf mich mit voller Wucht: der Ball war infiltriert worden - von Katzen.
Ein markerschütternder Schrei drang aus dem Saal zu uns und ließ mich zusammenzucken. Die schwarz-weiße Katze fuhr herum. "Macavity."



2 mal bearbeitet. Zuletzt am 19.09.17 17:46.

 Re: jellicle ball - oder auch nicht
Autor:
 Nasobem (Profil)
Datum:
 20.09.2017 15:07
Bewertung:
 

Hihihihihihihihihi! Während ich die Geschichte las, habe ich mir die ganze Zeit die Hände gerieben und in mich hinein gekichert...

Jellicle cats are black and white
Jellicle cats are rather small.
Jellicle cats are merry and bright
and pleasant to hear when we - caterwaul!