Geschichte: die Seelen der Dinge 2


 die Seelen der Dinge 2
Buch:
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Autor:
 nightdragon (Profil)
Datum:
 02.01.2018 15:57

Die Fackeln im Gang vor ihnen ließen die Schatten bedrohlich wabern.
Die Männer schlichen vorsichtig bis zur nächsten Ecke.
Auch wenn sich beide etwas wünschten, um ihren Herzschlag zu übertönen, blieb das Haus still. Es war neu und ächzte noch nicht wie die alten Gemäuer. Seine Dielen waren sauber, kein Staub schluckte die Schritte der Bewohner.
Die Eindringlinge brauchten keinen Staub. Sie waren leise genug.
Selbst das Holzbein des Vorderen pochte nicht auf den Boden. Sein jüngerer Begleiter hatte noch beide Beine - er hatte sogar noch ein zweites Paar Beine und einen schuppigen Körper, der ihn als Echsenmenschen auswies. Flink trippelte er mit seinen vier Beinen seinem Vordermann hinterher, während seine dünnen Arme sich zitternd um seinen Torso legten. Die Angst stand in seinen gelben Augen, seine zahlreichen, grünen Schuppen glänzten von Echsenschweiß, sein Kopf ruckte nervös hin und her.
Sie waren auf der Suche und das Etwas, das sie suchten, machte seine erdrückende Anwesenheit deutlich spürbar. Jede Ritze des Hauses war erfüllt von seiner unheilvollen Aura. Sie füllte es aus und ließ den Mann mit dem Holzbein sein struppiges rostrotes Fell sträuben. Seine Nase zitterte, während er versuchte, Witterung aufzunehmen. Sein einziges, dunkles Auge blickte ruhig und konzentriert aus dem von Haar eingerahmten Gesicht. Der dünne Flaum auf seinen Wangen bedeckte kaum die Narbe, die sich durch sein Antlitz zog. Zielstrebig aber behutsam ging er voran.
Das Gebäude war groß, was daran lag, dass der, der es hatte bauen lassen, über einiges an Einfluss verfügte. Um genau zu sein, war er in sehr kurzer Zeit zu sehr viel Macht gekommen ohne dass man genau sagen konnte, wodurch.

Sie wussten es.
Sie wussten, es konnte nur das eine sein. Das eine, das sie beinahe ihre Leben gekostet hätte. Und sie waren hier, um es ihm zu nehmen.
Selbst die Angst, die so tief in ihren Knochen steckte, würde die Männer nicht davon abhalten. Es war eine Gefahr und sie durften nicht zulassen, dass es blieb. Jeder Schritt, den sie taten, brachte sie näher. Jedes Mal krallte sich die Furcht stärker an sie. Die dunkle Präsenz lockte und drohte zugleich. Mit vielen Stimmen, die lautlos flüsternd in ihre Köpfe drangen, hieß sie die Eindringlinge willkommen.
Die Zeit, die sie durch die Flure des Hauses schlichen, kam den Dieben wie eine Ewigkeit vor. Nichts war zu hören, außer dem Geflüster des Dings. Die Stille ließ seine Worte sehr viel lauter und schärfer klingen, sie schienen die Ruhe zu durchschneiden wie Klingen. Immer lauter wurde es, wuchs mit jedem Schritt und mit jeder Ecke, um die sie bogen. Bald war es zu einem Sturm rufender, bittender, kreischender Stimmen angewachsen, als sie durch die letzte Tür gingen und leise den letzten Raum betraten.
Er war unscheinbar. Ein wenig erinnerte er an eine Abstellkammer. Eine große Abstellkammer allerdings, die aussah, wie der Saal eines Sammlers. Lange Wände waren verdeckt von Gemälden und Teppichen, Schwerten und Säbeln. Erbeutete Rüstungen standen wie Ritter auf ihren Ständern, in ordentlichen Reihen, für immer kampfbereit, aber nie mehr im Einsatz. Teure Möbel waren Podeste für noch teureres Geschirr. Unzählige kleine und große Schätze waren an diesem Ort versammelt. Manche kostbar wie Diamant, manche Ramsch, der nur emotionalen Werte hatte. Vermutlich wusste niemand so genau, welche Gegenstände sich in den Regalen tummelten - nicht einmal der, der sie dorthin geschafft hatte.
Hier war die Aura am stärksten.
In mächtigen Wogen pulsierte sie, breitete sich aus und zog sich zurück wie die Flut, streckte ihre unsichtbaren Finger, tastete durch die Flure des Hauses um sich ahnungslose Diebe in einem unaufmerksamen Moment zu greifen. Nur mit Mühe widerstanden die Männer dem Drang, zu ihrer Quelle zu rennen, wie habgierige Idioten. Zögerlich taten sie ein paar Schritte in den Raum. Ein paar Augenblicke standen sie da, schwer atmend, während Welle um Welle überwältigender Macht über sie hinweg glitten. Lange Sekunden verstrichen, bis der Erste sich vorsichtig rührte. Die Krallen seiner rechten Hinterpfote machten ein leises, klickendes Geräusch auf dem polierten Boden. Sein rostroter Schweif zuckte unruhig hin und her. Ganz langsam näherte er sich dem hinteren Ende des Saales, wo sich kurz vor der Wand ein Podest erahnen ließ. Der Echsenmann folgte ihm.
Anders als zuvor waren ihre Schritte hier deutlich zu hören. Auch ihr Herzschlag pochte lauter denn je in ihren Ohren. Immer deutlicher konnten sie ihr Ziel erkennen, immer stärker wurde der Druck im Raum und immer größer die Angst vor dem, was vor ihnen lag.

Der Einbeinige streckte zögernd die Hand aus. Seine klauenartigen Finger zitterten. Sein Begleiter hielt den Atem an, während er mit weit aufgerissenen Augen dem Geschehen folgte. Mehrmals zuckte die Hand zurück, bis sie den mit dunklem Leder umwickelten Griff berührte und sich darum schloss.
In dem Moment brach die Hölle los.



6 mal bearbeitet. Zuletzt am 21.02.18 16:21.