Geschichte: Jailbreaking 7


 Jailbreaking 7
Buch:
  Jailbreaking
Autor:
 nightdragon (Profil)
Datum:
 02.03.2018 19:49

Ein Klopfen dringt durch den stumpfen Schleier zu mir durch.
Ein leises, zaghaftes Geräusch, das mich in die Realität zurückholt.
Ich blicke auf.
Mit glasigen Augen beobachte ich, wie die Tür langsam aufschwingt.
Ich habe nicht mehr die Kraft, aufzustehen. Meine Beine haben den Willen verloren, mich zu tragen. Regungslos bleibe ich an Ort und Stelle.
Fels` massige Gestalt hat etwas von einem Gebäude, das in sich zusammengesackt ist, und der kleine Raum betont diesen Eindruck noch. Unsere Blicke treffen sich. Ich bleibe stumm. Ausdruckslos. Meine blutunterlaufenen Augen, umrahmt von dunklen Ringen, und die schmutzigen Tränenspuren, die sich durch mein Gesicht ziehen, sprechen alles aus, was ich zu sagen habe. Was ich zu sagen hätte, wenn ich es nicht aufgegeben hätte, Fragen zu stellen.
Wortlos kniet der Riese vor mir nieder. Eine Müdigkeit liegt über seinen Zügen, lässt seine mitleidig blickenden Augen umso trauriger wirken.
Mitleid wird die Welt nicht ändern.
Es kann Nichts.
Nichts bewirken, niemandem helfen.
Müsstest du das nicht wissen, großer, stummer Mann?
Ich weiß, du kennst die Verzweiflung genauso gut, wie ich sie kenne. Und du weißt, Mitleid kann einen nicht davor retten.


Auf einmal spüre ich die Kanten von etwas Kaltem, Harten gegen meine Handfläche drücken.
Fels lässt die Hand wieder sinken. Wortlos steht er auf, wendet sich mit einer gewissen Endgültigkeit von mir ab, verlässt meine Zelle.
Ich nehme ihn schon nicht mehr wahr. Meine gesamte Aufmerksamkeit richtet sich auf das Ding in meiner Hand. Seine Form hat etwas Vertrautes. Die kühle, glatte Oberfläche fühlt sich völlig natürlich auf meiner Haut an.
Ohne zu wissen warum, halte ich den Atem an. Mit klopfendem Herzen öffne ich meine Finger, langsam, fast, als hätte ich Angst davor, was sie verbergen. Kalter Schweiß tritt auf meine Stirn. Ich merke, wie meine Hände anfangen zu zittern. Immer weiter öffne ich meine Hand und immer stärker wird das Gefühl, mein Herz könnte jeden Moment aufhören zu schlagen.
Es dauert eine Ewigkeit und doch nicht lang genug, bis Fels Geschenk offen vor mir liegt.

Es ist ein schwarzer Drache.

Meine schlimmsten Befürchtungen bewahrheiten sich, als mein Herz plötzlich aussetzt.
Wie gelähmt starre ich auf die silberne Fassung des Anhängers, die so vertrauten schwarzen Schlieren und Formen, aus denen sich das Tier zusammensetzt, die schlichte Schnur, die am Drachenkopf befestigt ist.
Der Anblick trifft mich wie ein Schlag ins Gesicht.
Mit voller Wucht kommt die Erinnerung zurück. An andere Orte, an fremde Menschen, an Freude und Trauer, an Momente, die nicht von Verzweiflung beherrscht waren, an Freunde, die mir alles bedeuten.
Die unzähligen Fragen, die durch meinen Kopf gegeistert sind, zerplatzen und werden ersetzt durch Neue, Dringlichere. Wie konnte ich nur das vergessen? Wie konnten die Dinge, die einst mein Leben ausmachten, so an Bedeutung verlieren?
Ich halte es nicht mehr aus.
Unkontrollierte Schluchzer schütteln meinen Körper, während ein Sturm widerstreitender Gefühle sich meiner bemächtigt. Tränen der Erleichterung mischen sich mit Fassungslosigkeit. Das Wissen, dass ich all diese Zeit genau das hatte, wonach ich so verzweifelt gesucht habe, nimmt mir die Fähigkeit klar zu denken. Wie eine plötzliche Böe wirbelt es meine Gedanken durcheinander und lässt mich verwirrt und geschockt zurück. In einem Moment lache ich vor Freude laut auf und im nächsten stöhne ich vor Unglauben darüber, wie ich all das vergessen konnte. Mein Brustkorb bebt, dass ich befürchte meine Rippen könnten bersten. Mein Körper schmerzt von dem Versuch mehr Emotionen zum Ausdruck zu bringen, als er seit Langem empfunden hat. Ich bekomme keine Luft mehr, unfähig etwas Anderes zu tun als laut und hemmungslos zu weinen. Rotz und Wasser laufen mir über das Gesicht. Es ist verzerrt in einer Grimasse, die sich vergeblich bemüht, dem gerecht zu werden, was in mir vor sich geht.
Lange, lange Zeit hält mich dieser Zustand schmerzhafter Euphorie gefangen.

Es ist bereits Abend als ich völlig erschöpft zur Ruhe komme.
Schweißnass und zitternd liege ich wie hingestreckt auf dem staubigen Boden.Schwer Atmend drehe ich meinen Kopf zur Seite und blicke auf das ungeschlossene Fenster.
Zum ersten Mal seit einer gefühlten Ewigkeit sehe ich dort eine Tür.



4 mal bearbeitet. Zuletzt am 10.06.18 09:53.

 Re: Jailbreaking 7
Autor:
 nightdragon (Profil)
Datum:
 18.03.2018 07:33
Bewertung:
 

Ich könnte zwar von ihrer Flucht schreiben, aber irgendwie erübrigt sich das,außerdem bin ich nicht sicher, ob ich da einen guten schluss fände (wobei mir im nachhinein schon einer einfiele). Vielleicht schreib ich das irgendwann mal, aber bis auf Weiteres ist das das Finale.

 Re: Jailbreaking 7
Autor:
 Nasobem (Profil)
Datum:
 19.03.2018 09:31
Bewertung:
 

Ich warte auf alle alternativen Enden! :))