Geschichte: Seelische Veränderung


 Seelische Veränderung
Buch:
  Wie ein Blatt auf weiter See
Autor:
 Heizdecke (Profil)
Datum:
 23.05.2018 00:35

Schon nach kurzer Zeit, merkte ich, dass ich auch in der Schule nicht mehr mit anderen zurecht kam. Ich habe irgendwann vor ein paar Jahren ein Klassentreffen gehabt und ein Schulkamerad meinte zu mir..." Du warst früher echt komisch" "immer so erwachsen".
Ja, ich hatte mich verändert. Ich war nicht mehr Kind, nicht mehr Jugendliche. Ich war schlagartig erwachsen. Wenn die Klasse einen Unfug plante habe ich nicht mitgemacht. Ich habe versucht mich unsichtbar zu machen, aber auch das hat wohl nicht funktioniert. Ich war sonderlich. Streberin. Ich gehörte nicht dazu. Ich gehörte nirgendwo dazu.
Auch zu Hause habe ich versucht unauffällig zu sein. Ich war gut in der Schule, ich habe keinen Mist gebaut, war immer pünktlich und habe meine Aufgaben erledigt.
Um mich kümmerte man sich nicht und brauchte es auch nicht mehr.
Die Angst hat mich aufgefressen...heute Abend bist du wieder dran. Manchmal hatte ich auch Ruhe. Manchmal passierte es am helligten Tag, wenn Mama einkaufen ging. Manchmal lagen meine Eltern direkt neben an und schliefen. Besonders der älteste Bruder wurde immer dreister.
Ich hätte schreien können und frage mich oft warum ich das nicht getan habe. Manchmal habe ich nur da gelegen und mich weggebeamt und gewartet bis es vorbei war. Wie tot. Manchmal hat er mir eine Tafel Schokolade oder 2 Mark auf den Tisch gelegt. Er hat mich bezahlt. Und ich hab nichts gesagt.

Irgendwann bin ich dann angefangen mich einzukoten. Ich weiß heute, dass ich mich schmutzig machen wollte, damit man mich nicht mehr anfasst. Damals wusste ich nicht genau, warum ich das tat. Einmal bin ich von zu Hause abgehauen und 15 Km mit dem Rad und vollgemachter Hose zu meiner Oma gefahren. Mein Po war wund. Meine Oma hat es gerochen und meine Eltern angerufen. NIemand hat gefragt warum ich so weit gefahren bin, aber alle habe mich jahrelang damit gehänselt. Ich glaube mit 40 haben sie mir das noch mal aufs Brot geschmiert. " Du fährst ja auch mit vollgeschissener Hose 15 km" waren dann ihre Aussagen. Immerhin durfte ich mich bei Oma waschen und ich bekam eine viel zu große Unterhose von ihr. Meine Mutter hat geschimpft, ich könne doch nicht so weit alleine fahren und überhaupt sie hätte gar nicht gemerkt das ich weg sei, was mir einfallen würde....
Warum ich das tat, danach fragte keiner. Und ich habe wieder nichts gesagt.

Oft habe ich den Hintern versohlt bekommen, weil ich wieder eine Hose voll gemacht hatte. Manchmal habe ich die Unterhosen in einer Tüte gesammelt und sie heimlich unter den Pulli gesteckt und im Wald weggeworfen, damit Mama sie nicht findet und ich mich nicht erklären musste. Einmal war ein Nachbarsmädchen zu Besuch. Und ich musste sie alleine in meinem Zimmer lassen, weil meine Mutter nach mir rief. Ich hatte Angst sie würde meine Tüte finden die ich im Schrankfach versteckt hatte. Also sagte ich ihr, ich käme gleich wieder und dieses Fach sei tabu. Natürlich hat sie reingeschaut. Als ich wieder kam hielt sie sie in der Hand, hat gesagt ich sei ein Schwein und kam nie wieder.
Ich hatte nur eine "Freundin" Babsi. Die war genauso sonderlich wie ich. Sie war nicht die Schönste und wurde in der Schule oft gehänselt. Wir habe gemeinsam den Schulalltag gemeistert. Erzählt haben wir uns nie was uns bewegt. Warum weiß ich eigentlich auch nicht.
Irgendwann musste ich dann meine Unterhosen selbst auswaschen, im Waschbecken unter heißem Wasser. Das war eine Strafe. Wie sagte meine Mutter" ich kann nicht immer neue kaufen" und so stand ich oft im Bad und würgte vor mich hin, und weinte und konnte mir nicht helfen.

Ich habe viel bei Babsi geschlafen. Immer wieder. Meist am Wochenende. Manchmal durfte ich nicht, oder ihre Eltern wollen es nicht. Bei mir geschlafen hat sie glaube ich nie. Zumindest kann ich mich nicht daran erinnern. Ich weiß aber, dass ich gerne bei ihr geschlafen habe. Das ich nie wieder weg wollte. Das es schön war einzuschlafen und zu wissen, es kommt keiner.
Und machmal konnte ich auch bei meiner Oma bleiben. Leider manchmal auch mit meinen Brüdern, weil meine Eltern weg wollten. Da war das Desaster schon vorprogrammiert.

Irgendwann konnte ich die Hänseleien von meinen Eltern und meinen Brüdern nicht mehr aushalten. Ich habe versucht mir das Leben zu nehmen. Es mag sich komisch anhören, aber ich habe versucht mir unter der Dusche das Leben zu nehmen. Ich dachte...wenn ich einen riesen Schluss Wasser in den Mund nehme und ihn einatme, dann bin ich frei. ich habe mich oft verschluckt. Geklappt hat es nicht.
Ich habe einen Abschiedsbrief geschrieben, den meine Mutter fand. Ergebnis: sie weinte, ich fühlte mich schuldig, sie schimpfte und ich tat es nie wieder.

Ich wurde immer sonderlicher. Die Schule lief. Aber sonst. Ich war viel unterwegs. Alleine im Wald, bei Babsi, oder alleine in meinem Zimmer. ich habe mich eingeschlossen, und meine Brüder haben sich einen Dietrich gebaut. Das Leben war eine Qual.
Und immer war da dieses Gefühl, ich bin nicht richtig in der Welt. Alle sind ok nur ich bin es nicht. Das sollte so bleiben....