Geschichte: Jailbreaking Alternative


 Jailbreaking Alternative
Buch:
  Jailbreaking
Autor:
 nightdragon (Profil)
Datum:
 10.06.2018 10:21

Mutlos blicke ich auf, als Fels meine Zelle betritt.
Sein Schritt ist energisch und ich kann nicht anders, als mich unter meiner Gleichgültigkeit zu fragen, woher die Entschlossenheit in seinem Blick kommt.
Der Riese durchquert den kleinen Raum in wenigen Schritten und bevor mir klar wird, was hier vor sich geht, hat er mich bereits auf die Füße gezogen.
Ich stolpere und komme kaum mit, als er mich eilig mit sich zieht.
Wir begegnen keinen Wachen.
Zum ersten Mal seit Langem hat sich der stumpfe Schleier gelüftet, der meine Sinne und meinen Verstand vernebelte, und meine Gedanken sind klarer denn je, während ich versuche, das Geschehen zu erfassen.
Am Fuß der Treppe bleibt Fels stehen, sieht sich um und bedeutet mir, ihm zu folgen.
Draußen auf dem Hof höre ich Fanfaren. Pferde wiehern und eine Stimme erteilt Befehle.
Der Außenposten, in dem wir uns befinden, erwartet Besuch.
Schlagartig wird mir klar was das heißt und ich starre den Hünen vor mir ungläubig an.
Wir brechen aus.

Mein Herz schlägt schnell und ich spüre ein aufgeregtes Kribbeln im Bauch, während ich Fels durch steinerne Flure und zahllose Räume folge. Er bewegt sich zielsicher durch das Labyrinth aus Gängen, in dem ich in Sekundenschnelle die Orientierung verloren hätte. Das Adrenalin schießt durch meine Adern, sodass ich fürchte, im nächsten Moment vor Aufregung einen Herzinfarkt zu erleiden.
Wie lange noch, bis die Wachen ihre Posten wieder einnehmen? Wie viele Türen werden wir noch durchschreiten müssen, bevor das geschieht? Wenn wir einmal außerhalb des Gebäudes sind, was dann? Wie lautet der Plan?
Das Wechselspiel von Hoffnung auf Freiheit und der Angst, zu scheitern, bringt mich schier um den Verstand. Ich bin so lange nicht mehr ausgebrochen, dass ich vergessen hatte, wie nervenzehrend eine Flucht war.
Endlich bleibt Fels stehen und dreht sich zu mir um.
Vor uns liegt eine Tür, so klein und unauffällig, dass ich mir nicht sicher bin ob mein hünenhafter
Begleiter überhaupt hindurch passen würde.
Sie ist mit einen Riegel und einem rostigen Vorhängeschloss verriegelt.
Nach all den Ecken und Biegungen auf unserem Weg hierher ist es mir unmöglich, zu sagen, an welchem Punkt im Gebäude wir uns befinden. Ich weiß noch nicht einmal, ob sie nach draußen oder in ein weiteres Zimmer führt.
Ein Rasseln ertönt, als Fels einen schweren Schlüsselbund aus den Tiefen seines Gewandes hervorzieht. Ohne einen Augenblick nachzudenken wählt er einen kleinen, messingfarben Schlüssel aus und steckt ihn in das Vorhängeschloss.
Mit einem Klicken springt es auf und fällt zu Boden.
Ich zucke bei dem scheppernden Aufprall zusammen und sehe mich um, in der Erwartung, Schritte zu hören, doch es bleibt ruhig und Fels abreitet ungerührt weiter.
Er schiebt den Riegel beiseite und steckt einen weiteren Schlüssel ins Türschloss. Meine Aufregung wächst, als auch dieser passt und die Tür sich nach mehreren Umdrehungen öffnet.
Durch den schmalen Türspalt spüre ich einen kalten Luftzug.
Diese Tür führt nach draußen.
Ich trete näher, den Blick fest auf das dunkle Holz gerichtet, hinter dem sich meine Freiheit verbirgt. Außer meinem wild klopfenden Herzen höre ich nur das leise Pfeifen des Windes, der hinter diesen Mauern weht.
Es ist ganz einfach.
Nach all dieser Zeit kann ich einfach diese Tür durchschreiten und dieser sinnlosen Gefangenschaft entkommen.
Ich strecke die Hand aus.
Ich werde frei sein. Ich werde herausfinden können, wer ich war.
Doch da stocke ich.
Zitternd schwebt meine Hand in der Luft, Zentimeter von der.abgegriffenen Türklinke entfernt.
Ich weiß nicht, wohin diese Tür führt.
Woher soll ich wissen, dass sie nicht auf den Hof führt, wo mich alle sofort bemerken werden? Wie kann ich meinem Gefängniswärter vertrauen und glauben, dass er nun auf meiner Seite steht? Es ist zu plötzlich, zu einfach. Was, wenn Fels mir gar nicht helfen will und das nur ein grausamer Scherz des Kommandanten ist, kurz bevor ich hingerichtet werde?
Ich fröstele, teils von der Kälte, teils von dem Gedanken an die Genugtuung in seinem blassen Gesicht.
Was soll's, schoss es mir durch den Kopf. Entweder gehst du raus und stirbst oder du gehst raus und fliehst. Beides Wege, der Zelle zu entkommen. Wo ist der Unterschied?
Meine Schultern straffen sich, ich werfe noch einen kurzen Blick in Fels' Augen und ergreife den kalten Metallgriff.
Eisiger Schmerz schießt durch meine Finger, doch ich ignoriere ihn und starre stur nach vorne. Mit Schwung stoße ich die Tür auf und trete was auch immer mich draußen erwartet entgegen.
Es ist ein Kiefernwald.
Die hohen, rötlichen Stämme ragen vor mir aus dem schneebedeckten Boden und die ebenfalls mit Schnee zugedeckten Kronen verlieren sich im weißen Himmel.
Keine menschliche Seele ist zu sehen. Wir sind allein.
Atemlos trete ich ein paar Schritte auf den dichten Wald, der sich vor mir über den Hang erstreckt und die Kuppe des Hügels, an dem der Außenposten liegt, völlig verdeckt.
Ich bin frei.
Ein breites Grinsen tritt auf mein Gesicht, als mir diese Tatsache bewusst wird. Frei!
Ich gehe noch ein paar Schritte, drehe mich und nehme alles, was ich sehe, genussvoll in mich auf.
Die kleinen Fußspuren von Vögeln, das Baumharz, das an einigen Stämmen und Ästen klebt, die heruntergefallenen Zweige, die halb in der Schneedecke versunken sind. Ich würde am liebsten alles einzeln berühren, mich der Wirklichkeit jedes Gegenstandes versichern, aber ich kann mich im Zaum halten.
Die steinernen Mauern des, Außenpostens ragen hinter mir empor und ich höre noch immer die Befehle, die dahinter gerufen werden.
Meine Nackenhaare stellen sich auf, als die Stimme des Kommandanten zu mir herüberschallt.
Ich blicke mich nach Fels um.
Hat er auch hierfür einen Plan? Hat er sich auch für hinter den Mauern etwas überlegt? Oder soll ich einfach rennen, durch die gefährliche Wildnis des wohl lebensfeindlichsten Landes, das man auf der Karte finden konnte?
Panik keimt in mir auf, allein die Wölfe würden mich in wenigen Stunden gefunden und gefressen haben - wenn mich die Kälte nicht vorher umbringt.
“Fels?“, fragte ich leise.
Meine Stimme klingt heiser und die zaghaften Worte schaffen es nicht weit. Ich lasse noch einmal den Blick entlang der Mauer schweifen, da entdecke ich eine große Gestalt, die sich zu mir den Hang hinaufkämpft.
Erleichterung durchflutet mich zum ich weiß nicht mehr wievielten Male an diesem Tag. Eilig laufe ich ihm entgegen, stolpere mehrmals fast über im Schnee versteckte Wurzeln und komme wankend vor ihm zum Stehen.
Der Hüne tritt beiseite und überreicht mir ein paar lederner Zügel, die ich mit klammen Fingern ergriff.
Erst jetzt bemerke ich, wer hinter ihm steht.
Es ist ein Hengst. Ein großes, schwarzes Ross, eines der schnellsten seiner Art.
Ich erkenne es wieder.
Es ist das Pferd des Kommandanten.
Mit stolzem Blick begegnet es mir und ich kann nicht umhin, seine langen Beine, das glänzende Fell und die starken Muskeln darunter zu bewundern.
Es ist wirklich ein prächtiges Tier. Auf ihm wird die Flucht ein bloßes Kinderspiel sein. Ich kichere bei dem Gedanken daran, wie der Kommandant entdeckt, dass seine Gefangene auf seinem Pferd entkommen ist.
Ich will mich schon in den Sattel schwingen und diesem unsäglichen Ort Lebwohl sagen, als Fels mich an der Schulter festhält.
Verwundert halte ich inne.
Der Hüne bedeutet mir, zu warten und deutet dann auf eine der Satteltaschen. Neugierig lege ich den Kopf schief.
Was hat er eingepackt, was nicht warten kann, bis ich außer Sichtweite bin?
Der Riese sieht sich um und zieht dann ein schweres Stoffbündel hervor. Er breitet es aus und mein Herz macht einen Sprung, als er mir einen dicken, mit dunklem, weichen Pelz gefütterten Mantel übergibt.
Hastig werfe ich ihn über und vergrabe meine kalten Finger im Saum des Kleidungsstücks. Wohlige Wärme breitet sich langsam wieder in mir aus.
Ich blicke in Fels Gesicht und meine Augen strahlen mit meinen leuchtend roten Wangen und meiner halb erfrorenen Nase um die Wette.
Auch er trägt ein breites Lächeln zur Schau. Mit starken Armen zieht er mich an sich und ich ersticke beinahe in seiner knochenbrecherischen Umarmung, doch ich erwidere sie und drücke so fest ich kann zu.
Das ist der Abschied. Das erste und letzte Mal, dass wir uns so umarmen können.
Schließlich löst er seinen Griff und hebt mich schwungvoll auf den Rücken des Pferdes, das ungerührt daneben steht.
Er sieht mich noch einmal an. Ich kann den Schalk in seinen Augen blitzen sehen, als er auf die Satteltasche klopft.
Ich kann ein leises Rasseln hören und sofort weiß ich, was darin ist.
Er hat eine der Rüstungen gestohlen.
Ich lächle über die Breite meines ganzen Gesichtes, als ich ansetzte, um etwas zu sagen:“ Fels, ich - “
Doch mein Abschied wird jäh von einem Hornstoß unterbrochen, der sich misstönend über den ganzen Hang ausbreitet.
Bevor ich etwas weiteres sagen kann, schlägt Fels mit der flachen Hand auf die Flanke des Pferdes und der Hengst trabt los.
Er wird rasch schneller und ich muss mich nach vorne wenden und mit aller Kraft festhalten um nicht herunter zu fallen.
Hinter mir werden die Töne des Horns langsam leiser und bald habe ich mein Gefängnis hinter mir gelassen. Der Waldboden rast unter uns dahin, doch die Hufe meines Reittiers finden sicher festen Tritt und das Ross galoppiert ungehindert durch den Wald.
Der Wind schneidet mir ins Gesicht, doch ich heiße ihn willkommen, denn es ist viel zu lange her, dass ich solchen Wind gespürt habe.



2 mal bearbeitet. Zuletzt am 17.08.18 18:24.

 Re: Jailbreaking Alternative
Autor:
 Karakoff (Profil)
Datum:
 16.06.2018 08:50
Bewertung:
 

Vielleicht ist es meiner jugendlichen Naivität geschuldet, aber ich glaube, der Typ steht auf ihrer Seite. Aber wenn er das wirklich ist, überlebt er wahrscheinlich nicht lange oder?😂
Ich finde die Geschichte super spannend und hoffe, dass du bald weiterschreibst!

 Re: Jailbreaking Alternative
Autor:
 Nasobem (Profil)
Datum:
 17.06.2018 19:01
Bewertung:
 

Hihi!
Ich frage mich, welches der alternativen Enden du dir ausgesucht hast.

Und ich bezweifle, dass die Leute in dieser Epoche schon die Worte "Adrenalin" und "Herzinfarkt" kannten... :))

 Re: Jailbreaking Alternative
Autor:
 nightdragon (Profil)
Datum:
 18.06.2018 13:28
Bewertung:
 

Naja, es ist immerhin ein Traum...

 Re: Jailbreaking Alternative
Autor:
 Equestrice (Profil)
Datum:
 21.06.2018 16:33
Bewertung:
 

Cool, dass du eine Alternative geschrieben hast! Ich denke zwar, dass Fels sie verraten wird, aber da es nur ein Traum ist... könnte sich ja alles zum Guten wenden :-)

 Re: Jailbreaking Alternative
Autor:
 MyStory (Profil)
Datum:
 16.08.2018 08:19
Bewertung:
 

Wow es ist echt spannend! :) Ich finde die Idee cool. Ich frage mich nur wieso Fels ihm helfen sollte. Aber es währe cool wenn die Haubtoerson einen Verbündeten hätte.